Jonas Kaufmann, Nina Stemme, Christian Gerhaher, René Pape, am Pult Kirill Petrenko – Münchens neuer «Parsifal», der am Donnerstag zur Eröffnung der Opernfestspiele im Nationaltheater herauskam, wartet mit einer Champions-League-Besetzung auf. Dass es dennoch Buhrufe gab, lag an der Regie – und am Bühnenbild von Georg Baselitz.
Das Bühnenweihfestspiel «Parsifal» ist die rätselhafteste und auch umstrittenste Oper Richard Wagners. Die einen sehen in dem knapp fünfstündigen Mammutwerk den Gipfelpunkt von Wagners musikdramatischem Schaffen, andere ein verkitschtes, antisemitisches Machwerk, mit dem sich der alternde Komponist quasi seine Privatreligion schuf mit einem «entjudeten» Christus als Heilsbringer («Erlösung dem Erlöser»). Solch ein disparates Werk schreit nach einer kritischen Deutung.
Doch Regisseur Pierre Audi, Direktor der Nationale Opera in Amsterdam, war offenbar nur daran gelegen, dem Malerfürsten Baselitz nicht in die Quere zu kommen. Sängerinnen und Sänger standen oder hockten beziehungslos am Bühnenrand herum, es gab keine überraschenden Verwandlungen oder Lichteffekte außer einer pinkfarbenen Beleuchtung zum «Karfreitagszauber», und es gab vor allem keine Idee, was das alles uns heute sagen könnte. Zuweilen wirkte das Geschehen wie eingefroren.
Baselitz hatte die Bühne mit Versatzstücken seines reichen Schaffens als Maler und Bildhauer ausgestattet und kreierte eine düstere, todessüchtige Atmosphäre. Den Heil spendenden Gral gab es ebenso wenig wie einen Speer, und die «Blumenmädchen» mit Hängebrüsten und blutiger Scham schienen aus einem Splattermovie entsprungen. Der von hinten beleuchtete Bühnenvorhang mit kopfüber hängenden Gestalten, einem Markenzeichen von Baselitz, war zumindest sehr dekorativ.
Musikalisch war die Aufführung mit Jonas Kaufmann als Parsifal, Nina Stemme als derzeit wohl weltbester Kundry, Christian Gerhaher als Amfortas, René Pape als Gurnemanz und Wolfgang Koch als Klingsor vom Allerfeinsten, was der Opernmarkt zu bieten hat. Dem grandiosen Bariton und begnadeten Liedsänger Gerhaher gelang eine zu Herzen gehende Darstellung des an einer unheilbaren Wunde leidenden Gralskönigs Amfortas, der mit seiner Ritterschaft auf Erlösung vom Fluche des Zauberers Klingsor durch Parsifal, den «reinen Toren», hofft.
Generalmusikdirektor Kirill Petrenko dirigierte den «Parsifal» zum ersten Mal in seiner glamourösen Dirigentenlaufbahn und lieferte eine prächtig ziselierte Detailarbeit, der allerdings der ganz große Schwung fehlte. Kräftiger, kurzer Jubel für Sänger und Orchester, Buhsalven für Maler und Regisseur, denen Baselitzfans zu Hilfe klatschten.