Sorgfältige Recherche und die Auswertung zahlreicher Daten dienten dem Autorenteam als Grundlage für das Buch „Grüezi, Moin, Servus!“, das am 15.12.2017 erscheint. Das erste Kapitel unter der Rubrik „Speisen und Getränke“ ist einer Lieblingsspeise der Fleischfreunde gewidmet. Mit der freundlichen Genehmigung des Verlages dürfen wir es hier veröffentlichen.
Gebratener, flacher Kloß aus zerkleinertem Fleisch
Wenn’s schnell gehen muss, aber unbedingt Fleisch auf den Tisch soll, dann gehört der „gebratene, flache Kloß aus zerkleinertem Fleisch“ dazu, eines der einfachsten und am weitesten verbreiteten Gerichte. Aber wie nennt man dieses Gericht? Das Deutsche hat dafür eine Reihe von verschiedenen Bezeichnungen, die ihre ganz eigenen Geschichten haben.
Im Nordwesten Deutschlands, zwischen Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz (plus Kurpfalz), wird dieser Kloß Frikadelle genannt. Das Wort ist im 17. Jahrhundert über das Niederländische aus dem Französischen entlehnt worden (wie übrigens auch Frikassee). Es kann auf das lateinische Verb frīgere zurückgeführt werden, das „rösten, braten“ bedeutet und das wir auch in den Wörtern (Pommes) Frites, frittieren oder Frittaten wiederfinden. Frikadelle weist also in erster Linie auf die Zubereitungsart hin.
CoverAndere Bezeichnungen im deutschsprachigen Raum beziehen sich dagegen auf die äußere Form des Gerichts. So z. B. das Wort Bulette, das ebenfalls aus dem Französischen übernommen wurde – französisch boulette ist eine Verkleinerungsform von boule („Kugel“) und wird im Französischen nicht nur, aber ebenfalls häufig in kulinarischer Bedeutung verwendet. Dass Bulette in Ostbelgien und Luxemburg üblich ist, erklärt sich aus dem unmittelbaren Kontakt zur französischsprachigen Küche. Es ist aber im 19. Jahrhundert auch ins Berlinische gelangt – ob nun mit französischsprachigen Einwanderern und/oder weil die französische Cuisine in hohem Ansehen stand – und hat sich von dort aus offenbar stark ausgebreitet, in erster Linie in Brandenburg und Vorpommern, aber auch in Sachsen. Wie diese – und im Folgenden noch weitere – Beispiele zeigen, sind Entlehnungen aus dem Französischen gerade bei Speisen und Gerichten weit verbreitet. Mögen heute Pizza, Pulled Pork und Pad Thai die Systemgastronomie dominieren – vom 17. bis zum 19. Jahrhundert kam das, was als fein galt und fremdländisch klang, aus der französischen Küche.
Frikadellen-Namen
So spricht der Osten
Es geht natürlich auch germanisch-deftig: Besonders in Mecklenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen heißt das Gericht Klops (oder auch Brat- oder Fleischklops). Dieses Wort trat zuerst im Nordostdeutschen auf: Wer kennt nicht die Königsberger Klopse? Wahrscheinlich ist es eine Entlehnung aus dem Schwedischen, wo kalops oder kollops eine „gebratene Fleischscheibe“ (in der Regel nicht aus zerkleinertem Fleisch) bedeutet, so wie collop im älteren Englischen. Schwedische und englische Etymologen schieben die Entstehung des Worts jeweils der anderen Sprache zu. Es scheint jedenfalls aus den Wörtern für „Kohle“ und „hüpfen“ zusammengesetzt zu sein, bedeutet also ungefähr „das, was auf dem Grill hüpft“. Klops wird aber auch mit dem niederdeutschen bzw. „plattdeutschen“ Verb kloppen in Verbindung gebracht. Das Wort Klops würde sich nach dieser Deutung darauf beziehen, dass man die Fleischmischung flach klopft. Das sollte man mit Königsberger Klopsen natürlich nicht machen!
Das sagt man im Süden
Im Süden des deutschen Sprachgebiets sind meist Wortverbindungen oder Wortzusammensetzungen üblich: Der erste Teil besteht aus Fleisch- oder einer anderen Bezeichnung für das „zerkleinerte Fleisch“, nämlich Hack- oder – hier wieder mit einem Lehnwort aus dem Französischen – Faschiertes. Der zweite Teil wird dann durch einen Ausdruck gebildet, der sich auf die Form des Gerichts bezieht. In Baden-Württemberg (ohne die Kurpfalz), Bayerisch-Schwaben und in Franken sagt man meist Fleischküchle, im übrigen Bayern Fleischpflanzl oder Fleischpflanzerl, also mit den für die jeweiligen Regionen typischen Verkleinerungsformen. Sowohl -küchle als auch –pflanz(er)l vergleichen das Gericht mit einem „kleinen Kuchen aus Fleisch“ – so sehen sie ja auch aus, wenn sie ein wenig flachgeklopft sind. Bei -pflanz(er)l ist der Bezug zu „Kuchen“ nicht ganz so offensichtlich: Es handelt sich hier wohl um eine Abänderung aus Pfann-Zelten mit dem Grundwort Zelt(e)n, was „flacher Kuchen“ bedeutet. So heißen auch „Lebkuchen“ in Bayern und Österreich oft noch Lebzelten.
Ein Blick nach Österreich
In Österreich gilt überwiegend Fleischlaiberl, Fleischlaberl oder auch schon einmal Fleischlaibele, da hat man eher an eine Ähnlichkeit mit einem kleinen Brotlaib gedacht. Vor allem im Osten und Südosten Österreichs heißt es daneben faschiertes Laibchen. Faschieren bedeutet „durch den Fleischwolf drehen“ und kommt von französisch Farce („Füllung“), das seinerseits auf lateinisch farcīre („stopfen“) zurückgeht. Das gehackte Fleisch hat seinen Namen hier also von der Verwendung als Füllmasse in der raffinierten Küche – gegenüber Rezepten wie „Schnecken mit Farce“ oder „Taube mit Faschiertem gefüllt“ ist das Braten eines Stücks Hackfleischmasse natürlich schon eher simpel.
Zurück zum Osten
Wenn man etwas genauer in die bunte Sprachlandschaft der östlichen Bundesländer in Deutschland schaut, entdeckt man neben den beiden stark verbreiteten Bezeichnungen Bulette und (Brat-/Fleisch-)Klops noch zwei weitere Wörter mit auffälliger regionaler Verteilung. In Teilen von Sachsen-Anhalt, Thüringen und dem südlich angrenzenden Oberfranken ist Klößchen üblich oder auch Fleisch-/Gehacktesklößchen. In den südlichen Teilen Sachsens wird der Anglizismus Beefsteak verwendet. Dass man als Steak ein Gericht bezeichnet, das nicht aus einem Fleischstück, sondern aus zerkleinertem Fleisch besteht, mag zunächst verwundern. Aber bei einem Kalbsbutterschnitzel der Wiener Küche sollte man auch nicht ein Schnitzel aus einem Stück Kalbsfleisch erwarten … Wenn man sich zudem vor Augen hält, dass Beefsteak eine Verkürzung von Deutsches Beefsteak ist, wird klarer, dass die Erfinder der „deutschen“ Version des Fleischgerichts nicht den Anspruch erheben wollten, es könne an das englische Original heranreichen. Ein richtiges Steak konnten sich im 19. Jahrhundert, als Beefsteak ins Deutsche übernommen wurde, nur wenige leisten – und das waren im Fall des Beefsteak vor allem die höheren Kreise in Preußen, Sachsen und anderen nord- und ostdeutschen Staaten. Was das gesellschaftliche Leben betraf, orientierten sich diese Kreise immer weniger am französischen savoir vivre, sondern am lifestyle Englands, einschließlich dessen überschaubarer Kulinarik: So wurden der Toast, der Pudding, der Keks (ursprünglich die Cakes) und auch das Beefsteak im Deutschen im Laufe des 19. Jahrhunderts populär – Letzteres eben in einer etwas abgewandelten Form, die es auch breiteren Gesellschaftsschichten erlaubte, ein wenig an der englischen Lebensart teilzuhaben.
Hallo Schweiz!
Die Deutschschweizer beziehen sich bei dem Wort Hacktätschli wie auch beim Hackplätzli mit Hack- als erstem Wortbestandteil zunächst auf die Zerkleinerung des Fleisches und mit den beiden Verkleinerungsformen -tätschli und -plätzli auf die flache Form des Gerichts. Tätsch kann verschiedene Arten von flachrunden Speisen bezeichnen; so heißt etwa eine bestimmte Zubereitungsart von Kartoffelpuffern einfach Tätschli. In Vorarlberg verwendet man eine Mischung aus deutschschweizerischen und österreichischen Varianten, indem man das Hack- mit einer für die Region typischen Ausspracheform von „Laibchen“, nämlich -loable, zu Hackloable verbindet. In Südtirol sind Fleischkrapfen oder – wieder mit einer Verkleinerungsform – Fleischkrapferl die üblichen Varianten.
So wird die Frikadelle zum Ges… Pimp my Fast Food (2135211)