In der Eingangshalle steht Lenin, überlebensgroß, milde lächelnd unter seiner Schiebermütze. Zum Abschluss geht es an der riesigen, knallroten Skulptur «Hero, Leader, God» (2007) des russisch-amerikanischen Künstlers Alexander Kosolapov vorbei. Sein Trio aus Lenin, Christus und Micky Maus fordert provokant dazu auf, über die eigenen Götter, Götzen und Ideologien nachzudenken.
Zwischen diesen beiden Polen entfaltet das Deutsche Historische Museum seine Ausstellung «1917. Revolution. Russland und Europa» zur Russischen Revolution. 100 Jahre nach der kommunistischen Machtübernahme unter Lenin werden Hintergründe und Folgen dieses epochemachenden Umbruchs erläutert – vom Sturz des Zaren über die Gründung der Sowjetunion 1922 bis zum jahrzehntelangen Kalten Krieg.
Zu sehen sind rund 500 Objekte von mehr als 80 internationalen Leihgebern, darunter etwa die Wahlurne zur ersten Staatsduma und Lenins Totenmaske, Revolutionsplakate und Kampffahnen, Stephan M. Karpows bombastisches Ölgemälde «Völkerfreundschaft» und Georg Baselitz‘ hingetupfter «Lenin auf der Tribüne».
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) sprach am Dienstag von einer «vorbildlichen historisch-kritischen Aufarbeitung der Geschichte». Und Kuratorin Kristiane Janeke sagte vor der Eröffnung, das Macherteam habe vor allem die Ambivalenz der Entwicklung zeigen wollen: «Dem Anspruch auf Befreiung und Emanzipation standen immer auch Terror, Gewalt und Repression gegenüber. Beides war untrennbar verbunden, es waren zwei Seiten derselben Medaille.»
Die Hoffnung auf Befreiung – das war bei vielen Russen in dem heruntergewirtschafteten, verarmten Land zur Zeit des Ersten Weltkriegs das vorherrschende Gefühl. Doch nach dem Ende der Monarchie durch die Februarrevolution und dem Umsturz der Oktoberrevolution entbrannte ein auf allen Seiten brutal geführter Bürgerkrieg, der erst 1922 endete.
Die Zerrissenheit und Polarisierung ist in der Ausstellung auch symbolisch zu sehen. Immer wieder gibt es in den schmalen, engen Räumen Durchbrüche und gespaltene Wände, die erklärenden Schriftzüge sind in sich gebrochen. Das erzeugt eine dichte Stimmung, zugleich ist die Menge der gezeigten Objekte aber manchmal fast zu viel.
Europaweit habe die Russische Revolution zu riesigen Migrationsströmen geführt, sagt Mitkuratorin Julia Franke. Mindestens eine Million Menschen seien vor Krieg und Gewalt in Russland geflohen. Umgekehrt sei die Aufbruchstimmung im Land aber auch für viele Europäer zu einem Projektionsfeld neuer Ideen und Hoffnungen geworden. Als Beispiel ist eine Postkarte des späteren Berliner Regierenden Bürgermeisters Ernst Reuter (SPD) an seine Eltern zu sehen, in der er auf eine Umsetzung der Ideen auch in Deutschland hofft.
Welche Gedanken sich bis heute mit der Russischen Revolution verbinden, zeigen die Video-Interviews mit einigen Prominenten im Eingangsbereich. «Treibstoff war diese Sehnsucht nach dem Paradies auf Erden», sagt da etwa die ehemalige Stasi-Unterlagenbeauftragte Marianne Birthler. Und der in Moskau geborene Autor Wladimir Kaminer formuliert es so: «Ein Schritt in die richtige Richtung – nur mit dem Hintern nach vorn.»