Roger Federer riss die Arme in den Abendhimmel über Wimbledon, lächelte zufrieden ins Publikum und streifte sich das Stirnband vom Kopf. Und tatsächlich: Da waren doch ein paar Schweißperlen im Gesicht des derzeit alles überragenden Rasenkönigs zu sehen.
Der Sieg im Halbfinale über den tapfer kämpfenden Tschechen Tomas Berdych hatte Federer zwar wieder keinen Satz, dafür aber zumindest ein paar Nerven gekostet.
Nach dem 7:6 (7:4), 7:6 (7:4), 6:4 in 2:18 Stunden fehlt dem Maestro aus der Schweiz nur noch ein Sieg zum historischen achten Titel im All England Club. Nie zuvor hat ein Spieler derart oft auf dem „Heiligen Rasen“ triumphiert, bislang teilt sich Federer die Bestmarke mit Pete Sampras (USA) und dem legendären Briten Williams Renshaw.
„Es ist ein Privileg und eine große Freude, hier ein weiteres Endspiel auf dem Centre Court zu spielen“, sagte Federer, mit beinahe 36 Jahren der älteste Finalist in Wimbledon seit 1974: „Ich kann es kaum glauben, das fühlt sich überragend an. Jetzt freue ich mich auf einen freien Tag, um zu realisieren, was passiert ist. Und dann möchte auch ein gutes Finale spielen.“
Cilic weiß, wie man Federer schlägt
Sein Gegner ist die wohl größte Herausforderung im Turnier: der 1,98-m-Hüne Marin Cilic aus Kroatien. Der US-Open-Sieger von 2014 befindet sich in der Rasenform seines Lebens, im Halbfinale bezwang er den Amerikaner Sam Querrey ebenfalls nerven- und aufschlagstark mit 6:7 (6:8), 6:4, 7:6 (7:3), 7:5.
Cilic weiß, wie man Federer in großen Matches bezwingt, auf dem Weg zu seinem Triumph in New York gelang ihm sein bisher einziger Sieg in sieben Aufeinandertreffen.
Cilic (28) weiß aber auch, was auf dem Centre Court auf ihn zukommt. „Roger spielt sein bestes Tennis auf diesem Platz, hier fühlt er sich zuhause“, sagte er. Vor einem Jahr hatte Cilic die Chance, den angeschlagenen Federer aus dem Turnier zu werfen, vergab im Viertelfinale jedoch drei Matchbälle.
Im Jahr 2017 ist Federer ein anderer Spieler, „frischer, ausgeruhter und selbstbewusster“, wie er selbst sagt. Die Kraft, die er durch die Pause während der Sandplatzsaison gespart hat, machte gegen Berdych den Unterschied aus.
Becker schwärmt – Rosberg in der Royal Box
Zwar hielt der frühere Finalist mutig dagegen und stellte Federer vor größere Aufgaben als alle seine fünf vorherigen Gegner zusammen, in den entscheidenden Momenten spielte der Rekordsieger jedoch stets sein bestes Tennis.
„Ich habe so gut gespielt wie lange nicht mehr. Leider bin ich auf den Besten getroffen. Roger gibt dir keinen Rhythmus, er hat alles kontrolliert“, sagte Berdych enttäuscht.
Da schwärmte auch der dreimalige Champion Boris Becker am BBC-Mikrofon. „Das ist aufregend. Das ist Unterhaltung. So wird auf Rasen gespielt“, sagte Becker. Aus der Royal Box bestaunte Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg die Show des Rasenkönigs.
Federer macht die „Big Points“
Im vergangenen Jahr hatte Federer mit seiner Frau Mirka Rosberg bei dessen Titelgewinn in Abu Dhabi Glück gebracht. Dafür konnte sich der Wiesbadener nun revanchieren.
Immer wenn Berdych glaubte, einen Hoffnungsschimmer am Horizont zu erkennen, glänzte Federer. In den Tiebreaks ließ er nie einen Zweifel aufkommen, wer der Herr im Haus ist, und als er im dritten Satz bei 2:3 zwei Breakbälle gegen sich hatte, zerstörten drei Asse und ein weiterer erster Aufschlag Berdychs Hoffnung.
Mit all seiner Erfahrung von 18 Grand-Slam-Titeln nahm er Berdych sofort den Aufschlag ab. Die Entscheidung war gefallen.