Sie sagen «Aero-Vederci Baby»: Die Rockmusiker von Aerosmith verabschieden sich mit einer letzten Konzertreise von ihrem deutschen Publikum. Nach einem Open-Air in München treten sie noch in Berlin und Köln auf.
Und nach der Tournee ist wirklich alles vorbei? So richtig festlegen will sich der Frontmann Steven Tyler dann doch nicht. Offenbar kommt die Band gerade wieder auf den Geschmack, wie der 69-Jährige in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur sagte.
Frage: Das soll Ihre letzte Tournee sein. Ist das wirklich so? Man kann es sich schwer vorstellen.
Antwort: Man kann nie wissen … Wir haben jetzt wieder einige Shows gespielt und verlieben uns gerade wieder ineinander. Eines unserer langfristigen Ziele war es, die «Last band standing» zu sein. So viele Musiker sagen: Das ist das letzte Mal! Und dann gehen sie wieder auf Tour und gehen wieder auf Tour. Sie verarschen die Leute. Aber ich weiß nicht, ob ich wirklich sagen könnte «fuck nein». Es ist ein Geschenk, in einer Band wie Aerosmith zu spielen. Das zu schaffen, über Jahre zu erhalten, mit diesem ganzen Scheiß zu leben, den wir durchgemacht haben, und dann zu sagen «Ich mag nicht mehr» – so bin ich nicht.
Frage: Die Rolling Stones sind einige Jahre älter als Sie und spielen immer noch. Da können Sie doch noch lange nicht aufhören.
Antwort: Ich hoffe, viele Dinge passieren. Es reicht mit all diesen Bandkämpfen, internen Dingen, Management-Streitereien. Der eine Manager stirbt, ein neuer Manager kommt. All dieses Zeug drumherum, das Probleme bereitet. Manchmal ist der einzige Weg, damit umzugehen, zu sagen: Ich bin weg und ich gehe jetzt zu «American Idol» und kaufe mir ein Haus auf Maui (Hawaii). Ich wollte nicht mehr mit diesen Managern diskutieren.
Frage: Es ist also nicht die Musik, sondern das Musikbusiness, weswegen Sie aufhören?
Antwort: Das Musikbusiness bringt mich um. Meiner Meinung nach ist unsere Musik erfolgreich. Andere haben ihre Meinung, aber da sage ich: Stop! Wir sind seit fast 50 Jahren erfolgreich – wieso meinst du, dass deine Musik größer ist als meine? All diese Sachen. An manchen Tagen wache ich auf und schäme mich für «American Idol»; dann wieder denke ich, das ist das Beste, was ich getan habe. Manchmal denke ich, ich hätte kein Soloalbum machen sollen, sondern ein weiteres Aerosmith-Album. Das sind so Momente. Life is life.
Frage: Und es ist Teil unseres Lebens, dass wir in einer immer komplizierteren Welt leben. Was geht in Ihnen vor, wenn Sie an den Terroranschlag von Manchester denken?
Antwort: Es ist wirklich hart. Es hat nichts mit Alter zu tun, sondern wir müssen uns jeden Tag mit der gleichen Scheiße rumschlagen. Das ist unsere Welt. Diese Leute wollen zwölfjährige Kinder in die Luft jagen. Ich glaube nicht, dass wir ihnen mitteilen sollten, dass uns das nicht stört: «Fuck you, wir spielen trotzdem!» Und wir müssen dafür sorgen, dass sie nicht die Gelegenheit dazu bekommen, mit einer Bombe auf dem Rücken in einen Veranstaltungsort zu gehen. Diese Drecksbombe war riesig! Niemand hat die Taschen kontrolliert, darüber sollten wir sprechen. Nicht über Vergebung oder so etwas. Wir werden in derselben Halle spielen, aber ich werde dort nur auftreten, wenn sie die Taschen der Leute kontrollieren.
Frage: Die Terroristen wollen, dass wir unseren Lebensstil ändern. Wäre das nicht ein Grund für Aerosmith zu sagen: Wir machen weiter!
Antwort: Ja, das ist ein Grund, wir sehen das auch so. Aber letztlich ist das eine Phrase. Wollen wir nicht sagen: «Obwohl ihr das getan habt, kommen wir zurück. Ihr macht uns keine Angst und: Fuck you!» Das zu sagen ist eine Sache. Vor einem Hintergrund wie Manchester ist es eine andere Sache. Können wir sagen: «Wir kriegen dich das nächste Mal»? Wer stellt sicher, dass das nicht noch einmal passiert? Werden wir einen Weg finden, dieses Feuer zu löschen – sei es mit mehr Liebe oder indem wir eben euren fucking Arsch in die Luft jagen? Ich weiß nicht, was der richtige Weg ist. Aber einfach zu sagen: «We don’t care und wir spielen weiter» – was für ein Signal sendet das? Wenn dies jetzt eine neue Zeit ist, brauchen wir eine neue Art zu denken. Natürlich werde ich sie nicht denken lassen, dass sich Aerosmith wegen Terrorismus getrennt hat. Natürlich nicht. Niemals!
ZUR PERSON: Steven Tyler, der bürgerlich Steven Victor Tallarico heißt, ist Sänger und Mitbegründer der US-Rockband Aerosmith. Seine Karriere als Musiker begann er als Schlagzeuger. Mit Aerosmith gelangen ihm zahlreiche Welthits, darunter «Dream on», «I Don’t Want To Miss A Thing», «Crazy» und «Cryin’». Für mehrere Staffeln war er Jury-Mitglied der Castingshow «American Idol». Schlagzeilen machte Tyler auch wegen seines exzessiven Drogenkonsums. Der Sänger hat vier Kinder, seine Tochter Liv Tyler ist als Schauspielerin bekannt geworden.