Es war eine geniale Idee, die 1998 zur Mega-Band Gorillaz führte. Britpop-Sänger Damon Albarn (Blur) und Comic-Zeichner Jamie Hewlett («Tank Girl») dachten sich vier schrille Typen aus, schrieben ihnen intelligente Geschichten und gewitzte Musik auf den virtuellen Leib.
Fertig war eine der erfolgreichsten Popgruppen unserer Zeit. Sogar echte Live-Auftritte des eigentlich fiktiven Quartetts wurden weltweit zum Triumph.
Nach vier millionenfach verkauften Gorillaz-Alben kehren die animierten Figuren 2D (Gesang, Keyboards), Murdoc Niccals (Bass), Noodle (Gitarre) und Russel Hobbs (Schlagzeug) nun mit «Humanz» zurück – einigermaßen unerwartet. Denn auch viele Fans hatten zuletzt befürchtet, dass der Gag um die Cartoon-Musiker nach dem kreativen Highlight «Plastic Beach» (2010) und dem schon schwächeren «The Fall» ausgereizt sein könnte. Zumal Gorillaz-Mastermind Albarn mit seiner Allstar-Truppe The Good, The Bad & The Queen, diversen Opern- und Worldmusic-Projekten sowie dem tollen Blur-Comeback «The Magic Whip» (2015) gut ausgelastet schien.
«Es gibt keinen Plan, wenn ich ein Gorillaz-Album mache», sagte Albarn dem Deutschlandfunk über Teil fünf der Comicband-Saga. «Ich wusste anfangs auch gar nicht, mit wem ich zusammenarbeiten würde. Das hat sich ergeben, als ich die Platte produziert habe.» Dem Fachmagazin «Musikexpress» verriet der Sänger, dass er «auf jeden Fall ein schnelles, elektronisches Album machen» wollte. Und dass «Humanz» angesichts von Brexit und US-Wahl «eine Platte für ungewisse Zeiten» geworden sei.
Es erstaunt schon ein wenig, wenn Albarn nun ausgerechnet ein Pop-Fantasieprodukt wie das neue Gorillaz-Werk mit Politik auflädt und in aktuellen Interviews über die düstere Ära von Donald Trump philosophiert: «Es wäre schön, wenn sich Pop als verantwortungsbewusste Kunstform neu erfinden könnte. Aber das sehe ich im Moment nicht.»
Letztlich muss man aber in den 20 neuen Tracks – davon sechs kurze Intro- und Zwischenschnipsel – dezidiert politische Inhalte mit der Lupe suchen. Lediglich das vom britischen Neo-Soul-Sänger Benjamin Clementine und einem Gospelchor getragene «Hallelujah Money» erfüllt diesen Anspruch. Ansonsten sollte man sich zu den meisten «Humanz»-Stücken den Frust über die Weltlage von der Seele tanzen.
Denn in die Beine gehen auch die meisten der neuen Gorillaz-Songs, in denen Albarn zumindest als Sänger wie schon so oft anderen Künstlern das Rampenlicht überlässt. Diesmal sind unter anderem Grace Jones als Disco-Diva der 80er Jahre, die große US-Sängerin Mavis Staples, die Rapper Danny Brown, Pusha T und De La Soul sowie Peven Everett und Anthony Hamilton zu hören. Also jede Menge Gäste aus der schwarzen Musik, die den bewährten Gorillaz-Stilmix aus Pop, Hip-Hop, Reggae, Dub und Elektro mit ihren Beiträgen verzieren.
Neu ist das alles natürlich nicht – auch auf anderen Alben von Albarns Zweitprojekt war die Promi-Dichte schon hoch und der Sound sehr auf den Dancefloor ausgerichtet. Nicht jeder Track der neuen Platte zündet, aber es sind immer noch erstaunlich viele potenzielle Hits dabei: das groovende «Strobelite», der ebenso unwiderstehliche Track «Andromeda», die prächtige Ambient-Ballade «Busted And Blue» oder die beatgetriebene Hymne «We Got The Power».
Auf der darf am Schluss sogar Albarns einstiger Erzrivale, Oasis-Gitarrist Noel Gallagher, mitmachen. Die alten Kontroversen gehörten der Vergangenheit an, sagt der Blur-Frontmann jetzt versöhnlich. Gallagher sei «fantastisch im Studio» gewesen. Da haben die Gorillaz also auch mit einem lediglich soliden neuen Album etwas Gutes erreicht – einen offiziellen Friedensschluss zwischen den beiden größten Britpop-Streithähnen der 90er Jahre.