Odysseus und Thomas Gottschalk haben gemeinsam, dass der Begriff «Irrfahrt» auf beide gleichermaßen anwendbar ist. Der griechische Held in der Ägäis, der deutsche TV-Entertainer quer durch die Senderlandschaft.
Dem Sender RTL ist er aktuell noch verbunden, beim Ersten endete seine kurze Karriere abrupt im Juni 2012, und beim ZDF zog er Ende 2011 nach der letzten Ausgabe des Klassikers «Wetten, dass..?» seinen Schlussstrich. Das ist die Kurzübersicht über die vergangenen sechs Jahre.
Daher stellt sich die Frage: Bei welchem der großen vier TV-Anbieter hat sich der 66-jährige Blondschopf, der seit den siebziger Jahren Fernseh-Deutschland seinen Stempel aufdrückte, schon lange nicht mehr blicken lassen? Richtig: Sat.1. Der letzte Auftrag für den Privatkanal liegt mit der Show «Gottschalk kommt» 17 Jahre zurück. Höchste Eisenbahn, mal wieder für Sat.1 ins Rennen zu gehen.
Von diesem Sonntag (20.15 Uhr) an steht der Franke in drei Folgen der Sonntagabendshow «Little Big Stars» richtig schön im Rampenlicht. Die Seele des Entertainers, der die große Bühne und den Applaus braucht wie das täglich Brot, muss mal wieder gestreichelt werden. Sein Start steht jedoch nicht unter einem besonders guten Stern, denn ausgerechnet an dem Abend konkurriert er gegen den ARD-«Tatort: Wehrlos» aus Wien und gegen den neuen ZDF-Dreiteiler «Honigfrauen».
Der Inhalt der Show, die aus den USA stammt (Originaltitel: «Little Big Shots»), ist einfach zu verstehen. Kinder zwischen 3 und 14 Jahren besuchen Thomas Gottschalk und demonstrieren ungewöhnliche Talente. Wettbewerb untereinander und Belohnungen gibt es nicht. Die Fähigkeiten der Kleinen stoßen beim großen Meister auf eine gewisse Bewunderung: «Es war mir nie vergönnt, mich zum Beispiel an ein fremdes Klavier zu setzen und draufloszuspielen – das hat mir meine Mutter nicht ins Stammbuch geschrieben», sagte Gottschalk Anfang April bei der Präsentation der Sendung in Berlin.
Mit Kindern Shows zu machen, ist mit einer Portion Unberechenbarkeit verknüpft. Aber: «Im TV ist alles gescripted», sagte Gottschalk. «Hinter diesem Format steckt eine Ehrlichkeit, die ich sonst im TV vermisse. Heute weiß die linke Hand schon vorher, was die rechte tut.» Die Kinder hätten ihm nicht das Gefühl vermittelt: «Was will der alte Mann von mir?» Er sei erfreut gewesen, dass trotz aller Technisierung der Spieltrieb, die Urbegabung noch vorhanden seien. Manchmal wird es auch lustig. «Ich möchte auch Enten-Trainer werden wie Du», sagt ein Knirps. «Enten-Trainer?» «Ja, Entertainer.»
Und wie lange will sich der Zampano der deutschen Show noch das Fernsehen von heute reintun? Die Frage beantwortete er wie immer nicht präzise. «Ich komme aus einer Zeit, in der es keine Alternative zum TV gab», sagte Gottschalk. «Heute hat jeder einen Laptop auf dem Schoß, es gibt keine ungeteilte Aufmerksamkeit. Aber etwas Neues auszuprobieren, ist ein statthafter Versuch.» Wenn die Quote nicht stimmt, gibt es frei Haus schon die Ausrede im voraus: «Du musst nur das Beste daraus machen und versuchen, es hinterher schönzureden.»
Nach dem Scheitern der ARD-Vorabendshow «Gottschalk live» (2012), dem unglücklichen Engagement beim RTL-«Supertalent» in der Jury mit Dieter Bohlen (auch 2012) und dem Aus der RTL-Show «Back to School – Gottschalks großes Klassentreffen» (2015) könnte «Little Big Stars» dennoch einer der letzten großen Würfe des Altmeisters sein. Die weitere Planung bei ihm reicht offiziell nur bis zum Frühsommer: Die Sat.1-Show ist ab 23. April dreimal sonntags um 20.15 Uhr zu sehen, es gibt weitere Pläne mit dem Sender. Welche? Sat.1-Chef Kaspar Pflüger sagt: «Das ist ein Geheimnis.»
Fest steht wohl auch, dass es bei RTL parallel weiter läuft mit der Show «Die 2 – Gottschalk & Jauch gegen alle». Schlechter dagegen scheinen die Aussichten für die Fortsetzung der RTL-Infoshow «Mensch Gottschalk» zu sein, die in Zusammenarbeit mit Spiegel TV entsteht. Die moderierte er einmal im Juni 2016 und «als Finale» nun am 28. Mai, wie er sagte. Ist da nun auch praktisch Schluss? «Theoretisch könnte jede Sendung, die ich mache, die letzte sein.»