Stoff für Diskussionen: Wird der «Tatort» immer nackter?

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Erst der Porno-«Tatort» aus München mit freizügigen Szenen und Begriffen, eine Woche später dann eine nackte Stuttgarter Staatsanwältin im RAF-«Tatort» – und diesen Sonntag nun ein nackter Bremer Kommissar Stedefreund unter der Dusche («Zurück ins Licht», 20.15 Uhr). Full frontal, wie es im Fachjargon heißt. Also Penisalarm. Wird der «Tatort» immer tabuloser?

«So kann man das nicht sagen», meint der «Tatort»-Experte François Werner von «Tatort-Fundus.de», der zwar alle Krimis der Reihe gesehen hat, die Filme aber nie gezielt unter dem Aspekt schaute, ob jetzt Nackedeis vorkamen oder nicht.

Allerdings findet er das Thema durchaus interessant – also wie der «Tatort» als Abbild der bundesrepublikanischen Gesellschaft im Lauf seiner Geschichte mit Sex und nackter Haut umging.

Werner sieht dafür zurzeit insgesamt eine gestiegene Aufmerksamkeit – nicht zuletzt seit der viel diskutierten Folge «Hardcore» vom 8. Oktober über die Pornofilmszene in München, in der zur besten Sendezeit am Sonntagabend mehrfach Nackte zu sehen waren und es in den Gesprächen über Sexpraktiken durchaus ins Detail ging. «Der Tatort greift immer wieder gesellschaftlich brisante Themen auf. Dazu gehört auch die Sexualisierung unserer Gesellschaft und der erschreckend hohe Pornokonsum mitsamt seinem zugehörigen Vokabular», erklärte dazu der Bayerische Rundfunk.

Waren es vor ein paar Jahren noch die angeblich zu vielen Leichen im «Tatort» und die mutmaßlich wachsende Gewalt, über die diskutiert wurde, lautet die Frage heute eher: «Gibt es zu viel Sex im Sonntagskrimi des Ersten?».

Wie auch immer: Allem Anschein nach ist der Schauspieler Oliver Mommsen (48) nun tatsächlich der erste «Tatort»-Kommissar – also Hauptdarsteller der beliebtesten deutschen TV-Reihe -, der ganz nackt von vorne zu sehen ist. Im Bremer «Tatort» dieser Woche steht die Beziehung seiner Figur Stedefreund zur BKA-Kollegin Linda Selb (Luise Wolfram) ohnehin stark im Fokus.

Es scheint nach wie vor durchaus erwähnenswert, dass ein Mann mit allem zu sehen ist, was er hat. Damit kein Missverständnis entsteht: Nackte Haut und Sex finden im «Tatort» immer wieder statt. Auch Kommissare waren schon unbekleidet zu sehen, aber bislang etwas weniger deutlicher.

Horst Schimanski – also Götz George – lief zum Beispiel in der Folge «Zweierlei Blut» (1984) nackig durch den «Tatort», nachdem ihn Verbrecher unbekleidet im Duisburger Wedaustadion abgelegt hatten – er war aber nur von weitem und hinten zu sehen. Filmstar Til Schweiger hielt als Hamburger Ermittler Nick Tschiller zu Beginn der Folge «Kopfgeld» (2014) seinen nackten Po in die Kamera.

Für Aufsehen sorgte im Sommer 2016 auch die Berliner Folge «Wir – Ihr – Sie», in der Kommissar Robert Karow (Mark Waschke) bei schwulem Sex zu erkennen war, wenn auch nicht im Detail.

Historisch wären außerdem auch die nackten Brüste der jungen Nastassja Kinski im Kultkrimi «Reifezeugnis» (1977) zu nennen oder Renan Demirkan im Schimanski-Kino-«Tatort» «Zahn um Zahn» (1985) sowie der Schauspieler und Grimme-Preisträger Florian Panzner, der im Bremer Neonazi-«Tatort» mit dem Titel «Schwelbrand» (2007) sein Geschlechtsteil sehen ließ.

Legendär ist außerdem der Krimi «Rache-Engel», der letzte «Tatort» mit dem saarländischen Ermittler Palu, gespielt von Jochen Senf. Einen Tag, bevor er gezeigt werden sollte, schrieb die «Bild»-Zeitung im November 2005: «Brutaler Sex zur besten Sendezeit: Wie versaut darf ein „Tatort“ sein?». Dazu wurden Fotos gezeigt, die zwei von Annett Renneberg und Alexander Held dargestellte Figuren beim Geschlechtsverkehr zeigten. Der Krimi wurde dann noch vor der Ausstrahlung entsprechend gekürzt, was wiederum für Kritik sorgte.

Im März 2017 erst zog auch ein Kieler Krimi Aufmerksamkeit auf sich. Im Film «Borowski und das dunkle Netz» gab es eine Nacktszene mit der üppigen Schauspielerin Sonja Hermuth. Ein Statement, zum eigenen Körper zu stehen, auch wenn er nicht gängigen Schönheitsidealen entspricht.

Fazit: Nackte Tatsachen kommen im «Tatort» häufiger vor, richtig explizit wird es aber dann doch selten – vielleicht ist es deshalb dann für viele gleich ein umso größeres Thema.

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