Angezündet vom Mitschüler: So tapfer meistert Brandopfer Vivian Hagedorn ihr Leben

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Dass Vivian Hagedorn wieder lachen kann, hätte vor wenigen Monaten niemand gedacht. Die Abiturientin wäre beinahe gestorben: Ein Mitschüler hatte sie aus Jux in Brand gesteckt. Vivian Hagedorn stand damals lichterloh in Flammen. Die Ärzte mussten sie ins künstliche Koma versetzen, über Wochen im Krankenhaus kämpfte sich Vivian zurück ins Leben. Die junge Frau wird nie wieder so aussehen, wie früher. Trotzdem sagt Vivian Hagedorn: „Mir hat es immer geholfen, daran zu denken, dass es nur die Haut betrifft. Wenn ich nicht mehr hätte sehen oder hören können, wäre das viel schlimmer gewesen.“

Es war der 26. März 2015, kurz vor dem Abi, als die Schüler die letzten Unterrichtstage feierten. Die Stimmung war gut, einige hatten sich verkleidet. So auch Vivian, sie war eine „Zuckerwatte“. Ein Handyvideo hielt fest, was dann passierte: Ein Mitschüler zündelte an ihrem Kostüm und das Mädchen stand binnen Sekunden in Flammen.  „Ich habe nur gedacht, ich muss weg von den anderen Leuten, damit ich nicht auch noch andere in Brand stecke“, erinnert sich die 19-Jährige. „Ich habe die Flammen gesehen, aber ich hatte keine Schmerzen. Ich habe gar nicht gemerkt, wie schlimm das ist.“ Sie könne sich nur noch erinnern, dass sie auf dem Boden lag und alle sich auf sie geworfen oder Sahen auf sie draufgehauen hätten.

Als Vivian per Helikopter in die Universitätsklinik in Bochum geflogen wurde, schwebte das Mädchen in Lebensgefahr. Der Notarzt hatte sie bereits ins künstliche Koma versetzt. Für Vivians Mutter ein entsetzlicher Augenblick: „Ich wusste: Da liegt Vivian. Aber das hatte keine Ähnlichkeit mit ihr.“

Blick in den Spiegel fiel nicht schwer

Während ihre Mitschüler wie geplant ihr Abitur machten, musste Vivian Hagedorn um ihr Leben kämpfen. Erst nach sieben Wochen konnte sie das Krankenhaus verlassen. Neben ihrem Gesicht sind auch ihre Hände, ein Ellenbogen und ein Oberschenkel betroffen. Auch ihre Stimme sei nun, nachdem sie zunächst ganz verstummt war, rauer und tiefer als zuvor. Ihr Mund hatte sich durch die Narben anfangs so zusammengezogen, dass sie schlecht essen konnte. Es folgte eine weitere Operation. Der Blick in den Spiegel sei ihr dennoch nie schwergefallen: „Ich habe mich eigentlich von Anfang an wiedererkannt – und fand es auch gar nicht sooo schlimm. Andere hatten damit wohl mehr Probleme.“

Aufgrund der Hauttransplantationen musste die 19-Jährige zwei Jahre lang silikonunterlegte Kompressionsverbände und -wäsche tragen, um das Narbengewebe geschmeidig zu halten und das Heilungsergebnis zu verbessern. Sie war die Frau mit der blauen Maske. Und auch jetzt muss Vivian alle drei Monate zur Nachkontrolle in die Klinik. Die Ärzte sind mit der Heilung jedoch zufrieden: Armbeuge, Finger spreizen – immerhin ist Vivian durch die Narben in ihrer Beweglichkeit nicht eingeschränkt. „Sie hat eine schwere Verletzung erlitten. Und diese Verletzungen der Haut begleiten einen für viele Jahre. Meist ein Leben lang“, sagt der Oberarzt Dr. Hamid Joneidi.

„Es war einfach pure Dummheit“

Am Anfang habe auch sie eine Phase gebraucht, in der sie wütend war über das, was ihr passiert ist, so Vivian Hagedorn im Gespräch mit Steffen Hallaschka. Der Mitschüler, der für ihr Schicksal verantwortlich ist, hatte sich erst nach drei Monaten bei Vivian entschuldigt. Das erste Mal sah sie ihn während der Gerichtsverhandlung wieder. Damals hatte das Gericht den Täter zu einer zweiwöchigen Haft, 500 Euro Schmerzensgeld und 100 Sozialstunden verurteilt. Ein vergleichsweise mildes Urteil für einen derartigen Anschlag. Trotz all dem hege sie keinen Groll gegen den Mitschüler, der ihr das angetan hat, sagt Vivian. Sie wisse, dass er ihr eigentlich nicht absichtlich etwas Böses habe tun wollen. „Es war einfach nur pure Dummheit.“

Einen Schmerz hat sich Vivian nach der Zeit im Krankenhaus selbst zugefügt: Eine Tätowierung am Unterarm – ein Phoenix aus der Asche. „Das ist für mich ein Symbol für das Leben, das ich hatte – und für das Leben, was ich jetzt habe. Ein völlig anderes. Aber kein schlechtes.“

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