TV-Tipp: 4 Könige

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Ungewöhnlicher Freitagabend im deutschen Fernsehen: Verantwortlich dafür ist die U21-Nationalmannschaft des Deutschen Fußballbunds, die nach dem Erfolg im Halbfinale gegen England das Endspiel der Europameisterschaft erreichte und an diesem Freitag gegen Spanien antritt – im ZDF.

Der Privatsender RTL änderte daraufhin sein Programm und verschob die Premiere seiner Spielshow «The Wall» um einen Tag auf Samstag. Der Kultursender Arte dagegen bleibt bei seinem Programm und zeigt um 20.15 Uhr als Free-TV-Erstausstrahlung den Kinofilm «4 Könige» aus dem Jahr 2015.

Der spielt – nicht ganz passend zur Jahreszeit – in den Weihnachtstagen, an denen sich so mancher wegen all des Stresses mit Fluchtgedanken trägt. Auch die Jugendlichen Alex, Lara, Timo und Fedja reißen aus und landen – wie und ob freiwillig, wird nie ganz klar – in der Psychiatrie. Ein Glück für die vier Heranwachsenden. Denn die Klinik wird zum Zufluchtsort. «4 Könige», das Kinodebüt von Theresa von Eltz, war bereits bei mehreren internationalen Festivals zu sehn.

Lara (Jella Haase, vor allem bekannt als Chantal aus «Fuck ju Göhte»)
ist das Bad Girl. Immer ein bisschen zu viel Lippenstift, ein zu
tiefer Ausschnitt, ein zu derber Spruch. Lara ist es, die einen
«Weihnachtspimmel» für den Christbaum bastelt und ihre angemalten
nackten Brüste Fedja als Weihnachtsgeschenk präsentiert. Später wird
sich herausstellen, dass sie als Dreijährige ihren Zwillingsbruder
verloren hat. Die Bürde der Überlebenden scheint sie nicht ertragen zu können. Ihre Eltern scheinen ihr nie verziehen zu haben.

Das Scheidungskind Alex (Paula Beer) kann die Depressionen und die
damit verbundenen emotionalen Erpressungen seiner Mutter nicht mehr
aushalten – und verletzt sich selbst. «Oh, schon wieder ’ne
Zwanghafte», begrüßt Lara das stille Mädchen. Fedja (Moritz Leu)
wirkt tief verstört. Auch er hat Narben an Körper und
Seele – als Mobbingopfer seiner Mitschüler. Und der aggressive,
unberechenbare Timo (Jannis Niewöhner) kommt aus der «Geschlossenen».
Warum, weiß man nicht so recht.

Denn es geht in «4 Könige» nicht um Krankheitsbilder, Diagnosen und
medizinische Gutachten. Es geht um vier junge Menschen, die mit ihrem
Leben und ihren Familien nicht zurechtkommen. Weihnachten
finden sie alle doof, sagen sie. Doch wer genau hinsieht, merkt
schnell, dass es nicht das Fest selbst ist, das sie stört, es sind die Umstände, in denen es begangen wird.

Damit haben sie viel mehr mit dem unkonventionellen Arzt Dr. Wolff (Clemens Schick) gemeinsam. Lieber macht er Dienst, als Weihachten zu Hause zu verbringen. Wo das ist, bleibt offen. Eine Tochter hat er wohl, aber ein guter Vater ist er nicht – wie er selber einmal sagt.

So bedrückend dieser Film beginnt, so berührend – niemals rührselig –
entwickelt er sich, trotz oder vielleicht auch wegen schonungsloser
Bilder und Szenen. Völlig abgeschieden liegt diese Klinik im Wald, wie ausgestorben wirkt das Haus. 

Über die Weihnachtstage herrscht Notbesetzung, bei Personal und Patienten. Doch gerade diese Abgeschiedenheit bietet den Jugendlichen und auch dem Arzt die Möglichkeit, sich frei zu bewegen, sich aus den
familiären wie den eigenen Zwängen zumindest in Ansätzen zu befreien.
Die Psychiatrie wird zum Freiraum, der ihnen die Hoffnung auf ein
freieres Leben auch außerhalb des Mikrokosmos gibt – wenn auch nicht
allen.

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